Spannende Diskussionsbeiträge, Danke dafür.
Ich hinterfrage und verstehe dann gerne Systeme, um darin für mich passend agieren zu können - und auch zu wissen, wo mir die Hände gebunden sind. Ein praktisches und einfaches Beispiel aus der Stromversorgung: Ökostrom wird von vielen Anbietern angeboten. Der ganze Strom, der produziert wird, kommt in einen großen "Topf" und jeder entnimmt sich daraus seinen Anteil. Selbst wenn man einen Ökostromtarif hat, heißt es also nicht, dass man ausschließlich Ökostrom geliefert bekommt, sondern eben etwas aus dem "großen Topf". Hat ein Kunde jedoch einen Ökostromtarif gewählt, muss laut Erneuerbaren-Energie-Gesetzes der Anteil, den er verbraucht hat, an Ökostrom in diesen Topf auch einfließen (aufs Jahr gesehen). Unter dem Strich hat man also Ökostrom. Soweit so gut. Eine Feinheit gibt es zu bedenken: beziehe ich Ökostrom von einem Großkonzern, der auch Atomkraftwerke betreibt, kann ich mir ziemlich sicher sein, dass die Gewinne aus meinem Vertrag mit ihnen dazu verwendet werden, sich dafür einzusetzen, Atomkraftwerke länger laufen zu lassen (die Dinger sind alle längst abgeschrieben und damit reine Gelddruckmaschinen). Deshalb macht es hier ganz klar Sinn, einen reinen Ökostromanbieter zu wählen.
Übrigens: ein Stromanbieter wirbt auch aktiv damit, vegan zu sein, da sie keine Biomasse oder ähnliches verwenden (ob er es dann wirklich ist, weil z. B. ja weiter die Gefahr besteht, dass ein Vogel sich im Windrad oder ein Fisch sich im Wasserkraftwerk verfängt, darf jeder gerne für sich entscheiden).
Die Wahl des Stromanbieters hat darüber hinaus keine Konsequenzen auf mein Sozialleben, zeitgleich kann ich dadurch einiges in Bewegung setzen (Atomkonzernen Gewinn entziehen und in Erneuerbare Enegien umschichten).
Durchaus vielschichter ist es mit dem Essen und der Ernährung, wobei die grundlegenden Gegenbenheiten ähnlich sind: Kaufe ich bei einem reinen veganen Unternehmen meine Produkte, fließen die Gewinne auch wieder genau dort hin. Kaufe ich bei einem Metzger ein veganes Produkt (um beim genannten Beispiel dieses Threads zu bleiben), kann er den Gewinn genauso gut in die Erweiterung seiner Schlachtanlage oder was auch immer stecken. Aus diesem Grund ist es natürlich (aus veganer Sicht) vorzuziehen, ein Produkt eher bei dem veganen Unternehmen zu kaufen.
Hinzu kommt hier aber (anders als beim Stromanbieter) die soziale Komponente. Wenn alle meine Freunde heute dorthin essen gehen und ich auch eingeladen bin, kann ich entweder mitgehen (mit dem Wissen, dass der Metzger ggf. den Gewinn an meinem Essen verwendet, um seine Tiergeschäfte weiter auszubauen - oder aber, um sein veganes Angebot zu erweitern, da es angenommen wird), oder ich kann den Freunden absagen und mich zuhause langweilen.
Das ist hier also etwas komplexer und wie immer gilt: jeder muss die Lösung für sich alleine finden. Ein Bewusstsein dafür zu haben, ist hier für mich besonders wichtig.
Übrigens (wenn wir gerade bei Systeme hinterfragen und verstehen sind): Mit jedem Einkauf den man tätigt, zahlt man Steuern (entweder 7% oder 19%). Diese Steuergelder werden auch dazu verwendet, um damit Schweinemastanlagen usw. zu fördern. Dagegen kann man direkt nichts unternehmen, man kann es nur so hinnehmen und durch seine Stimme bei der nächsten Wahl versuchen, dies indirekt zu beeinflussen und bei den Parteien vorher auf die Agenda zu bekommen. Nachdem viele vegane Lebensmittel (z. B. Haferdrink & Co.) unsinniger Weise mit 19% besteuert werden, richtet man (wenn man so mag) damit mehr Tierleid an (durch den höheren Steueranteil, der wiederum zur Subventionierung von diversen Bauern verwendet wird), als mit frischem Obst und Gemüse, auf das meistens 7% bezahlt werden muss.
Ja, verrücktes System... ich weiß.